Kommentar zum Artikel agile at scale, HBR 5/6, 2018
#Transformation – Teil 8
In der Mai/Juni-Ausgabe 2018 der Harvard Business Review wurde in einem Artikel die Skalierbarkeit agiler Arbeitsweisen und Teamstrukturen diskutiert. Es geht also darum, in wieweit sich agile Arbeitsweisen auf andere Unternehmensteile ausrollen lassen. Vor dieser Frage stehen demnach viele Unternehmen aktuell. In welche Unternehmensbereiche und mit welcher Geschwindigkeit sollen agile Methoden ausgerollt werden? Reicht es, sich auf die IT-nahen Bereiche zu fokussieren? Können agile Teams als Inseln genügend Durchschlagskraft erzielen? Oder muss doch das ganze Unternehmen agil werden?
Es gibt hier kein klares Richtig oder Falsch, dass sich auf alle Unternehmen anwenden ließe, einen agilen Masterplan sozusagen. Aber es gibt einige interessante Hinweise im Artikel, die sich mit den Erfahrungen unserer Beratungsarbeit decken. Auf drei dieser Aspekte wollen wir hier noch einmal kurz fokussieren.
“And it’s not unusual to launch hundreds of new agile teams only to see them bottlenecked by slow-moving bureaucracies.”*
Wie bereits in einem anderen Artikel dieser Reihe dargestellt, brauchen agile Teams ein Arbeitsumfeld, das mit ihrer Geschwindigkeit und Arbeitsweise mithalten kann. Ein wichtiges Beispiel und nicht selten der Flaschenhals für agile Teams sind die Entscheidungsprozesse in Unternehmen. Sind diese Entscheidungsprozesse im Unternehmen langsam und bürokratisch, dann verliert das Unternehmen in diesen Prozessen die Vorteile, die die agilen Arbeitsweisen eigentlich bringen sollen. Auch ein Primat der Absicherung bei Entscheidungen, dass sich oftmals in langwierigen Analysen und Planungsprozessen äußert oder ein Zögern beim „Testen“ des Produkts mit dem Kunden nimmt agilen Teams ihre Durchschlagskraft. Hier braucht es die Offenheit der Entscheider, sich mit den agilen Teams zu entwickeln.
“If your newly agile units are constantly frustrated by bureaucratic procedures or a lack of collaboration between operations and innovation teams, sparks will fly from the organizational friction, leading to meltdowns and poor results.”*
Mit der Schnittstelle zwischen Operations und Innovation Teams, im Deutschen wohl am besten mit Betrieb und Projekt zu bezeichnen, spricht der Artikel eine der zentralen Herausforderungen bei der Etablierung agiler Teams ein. Agile Teams sind in der Lage, eine enorme Energie zu entfalten und damit auch einen hohen Umsetzungsdruck auf die anderen Unternehmensbereiche aufzubauen. Je nach Organisationsform entfaltet sich dieser Druck besonders an der Schnittstelle zwischen den Betriebseinheiten und den Projekteinheiten. Erhöht sich die Innovations- und Entwicklungsgeschwindigkeit durch agile Arbeitsweisen deutlich, dann bedeutet das, dass der Betrieb in immer kürzeren Abständen neue Funktionalitäten und Anwendungen übernehmen und betreuen muss. Die Anforderungen an den Bereich Betrieb steigen stetig und stellen diesen ebenfalls vor die Frage, wie er sich am besten organisiert, um mit der Geschwindigkeit der agilen Projektteams mithalten zu können. Auf die Gestaltung dieser Schnittstelle sollten Organisationen einen Fokus legen, damit sich hier keine Konflikte entwickeln, welche die Leistungsfähigkeit der gesamten Organisation gefährden.
“…to get started on this test-and-learn cycle”*
Entscheidend ist die Art und Weise, wie agile Methoden eingeführt werden. Hier gibt der Artikel einige interessante Beispiele von Unternehmen unterschiedlicher Größen und Geschäftsfelder, wie BOSCH oder der ING Netherlands. Was deutlich wird: Die Haltung, mit der agile Methoden eingeführt werden, ist entscheidend für den Erfolg. Auch die Skalierung dieser Arbeits- und Organisationsweisen werden durch die Haltung, mit der sie umgesetzt werden, maßgeblich beeinflusst. Geht man davon aus, agile Strukturen am Reisbrett entwerfen und Top-Down ausrollen zu können, dann läuft man Gefahr, unterkomplexe Lösungen zu entwickeln und die Organisation ins Chaos zu stürzen. Es gilt, einen iterativen Lernprozess zu durchlaufen und Schritt für Schritt Erfahrung mit den Anforderungen und Auswirkungen der agilen Einheiten zu sammeln und diese in der Organisation umzusetzen. Mit diesem Vorgehen können Engpässe und Stolpersteine entdeckt und ausgeräumt werden. Erfolge und Best Practices stehen den nachfolgenden Teams zur Verfügung. Ja, Fehler gehören zum agilen Arbeiten, aber man muss sie ja nicht mehrfach machen. Auch können Prozesse, Strukturen, Räume sowie die (personellen) Ressourcen Schritt für Schritt, entlang der Anforderungen der agilen Einheiten aufgebaut werden. Das Unternehmen entwickelt sich von innen heraus.
Die Skalierung agiler Methoden wird in den nächsten Jahren eine der zentralen Herausforderungen für Unternehmen. Die gute Nachricht ist, dass es gelingen kann und selbst große Konzerne wie BOSCH sich bereits erfolgreich auf den Weg gemacht haben. Aber es gilt, den Wandel Schritt für Schritt gemeinsam zu gestalten. Eine einfache, konzeptionell vorab erfassbare und schnell ausrollbare Lösung gibt es leider nicht.
Die Zitate stammen aus dem Artikel agil at scale aus der HBR 5/6 2108 von Darrell K. Rigby, Jeff Sutherland und Andy Noble. Hier den Artikel im Original lesen.
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