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Ohne psychologische Sicherheit kein Teamwork?

Psychologische Sicherheit und ihre Bedeutung für die Zusammenarbeit im Team.


Shutterstock: #499323460

Psychologische Sicherheit beschreibt ein Klima im Team, in dem Menschen Kritik äußern, Fragen stellen und mit ihren Anliegen sichtbar werden, um sich selbst und ihr Team besser zu machen.* In meiner Arbeit als Team-Coach spielt die psychologische Sicherheit eine große Rolle. Zum einen ist sie eine Voraussetzung, damit das Coaching seine optimale Wirkung entfalten kann. Denn nur, wenn kritische Themen offen angesprochen werden, kann ich sie mit dem Team im Coaching bearbeiten. Zum anderen ist es eine zentrale Voraussetzung für eine gelingende Zusammenarbeit, auch nachdem das Coaching beendet ist und ich wieder weg bin.


Im Rahmen von Auftragsklärungen werde ich regelmäßig gefragt, ob das Thema wirklich für alle Teams relevant sei? Schließlich müsse man den Aufwand der hierzu notwendigen Maßnahmen ja auch immer mit dem Ertrag gegenrechnen, also dem Zugewinn an Performance im Team. Außerdem klingt psychologische Sicherheit doch eher nach esoterischem nice-to-have als nach einer leistungssteigernden Notwendigkeit.


Meine erste Antwort hierauf: Gruppen brauchen keine psychologische Sicherheit! Teams schon!



Zusammenarbeit

Das Erste, was ich mit meinem Auftraggeber dann bespreche ist, ob ich es mit einem Team oder einer Gruppe zu tun habe. Folgende Fragen helfen mir dabei:


  1. Bestehen im Team inhaltliche Überschneidungen und Abhängigkeiten?

  2. Können die einzelnen Teammitglieder ihren Job nicht ohne die anderen Teammitglieder erledigen?


Nur, weil sechs oder acht oder zehn Menschen organisatorisch einer/m Teamleiter*in zugwiesen sind, handelt es sich nach meinem Verständnis hier nicht immer um ein Team. Wenn Menschen ihre Aufgaben ohne großen Austausch und unabhängig voneinander abarbeiten können, dann spreche ich von einer Gruppe, nicht von einem Team. Erst wenn Zusammenarbeit zur Erledigung der Aufgaben und zur Erreichung der Ziele notwendig wird, dann haben wir es mit einem echten Team zu tun. Wenn Zusammenarbeit zwingend wird, um Aufgaben zu erfüllen und komplexe Probleme im Sinne des Kunden zu lösen, dann braucht es echtes Teamwork und damit psychologische Sicherheit.



Aufgaben

Neben der Zusammenarbeit sind auch die Aufgaben wichtig, die vom Team zu erledigen sind. Folgende Fragen helfen mir als Einstige in das Thema:


  1. Wie komplex sind die Aufgaben, die vom Team zu erledigen sind?

  2. Wie hoch ist der Anteil an Routine-Aufgaben im Team?

  3. Wie hoch ist das Fehler-Risiko im Team?


Auch die Art der Aufgaben, die ein Team zu erledigen hat, spielt eine Rolle. Geht es primär um Routinetätigkeiten in einem festgelegten Prozess oder muss ein Team immer wieder neue Lösungen finden und Entscheidungen unter Unsicherheit treffen. Je mehr Entscheidungsfreiheiten und Handlungsspielräume im Team bestehen, desto wichtiger wird der Austausch untereinander, wie diese Räume genutzt werden sollen. Diese Art des Arbeitens, die über ein Abarbeiten von Routinen hinausgeht, ist von Natur aus fehleranfälliger. Damit die Fehleranfälligkeit nicht zur Analysis-Paralysis, also einem zeitaufwändigen Überanalysieren führt, braucht es das gemeinsame Verständnis, mit wieviel Risikobereitschaft und Eigenverantwortung die Aufgaben erledigt werden sollen und wie mit eventuellen Fehlern umgegangen werden soll.



Risiko

Eine Risikobetrachtung kann auch helfen, eine Entscheidung zu treffen, ob das Thema bearbeitet werden soll oder nicht. Meine Fragen lauten hier:


  1. Wie erfolgskritisch ist ein gutes Miteinander für die Performance des Teams?

  2. Wie erfolgskritisch ist die Performance des Teams für sein Unternehmen?


Bei Anwendungs-Entwickler-Teams, von denen Reputation und Umsatz eines ganzen Unternehmens abhängen, Vertriebsteams und Key Accounter, die für den ersten Eindruck des Unternehmens beim Kunden verantwortlich sind, Vorstandsteams, die mit ihren Entscheidungen die Zukunft ihres Unternehmens maßgeblich beeinflussen, sollten die Antworten klar sein. Bei anderen Teams, die nicht ganz so prominent agieren, muss man vorab etwas genauer hinsehen.



Lernen im Team

Je bedeutender die Performance eines Teams für die Gestaltung einer erfolgreichen Zukunft des Unternehmens ist, desto wichtiger wird das Lernverhalten des Teams sein, seine Fähigkeit, offen für Neues zu sein, sich Neues anzueignen und sich aktiv damit auseinanderzusetzen. Gemeinsames Lernen, auch aus Fehlern und Fehlentscheidungen, wird zu einer Grundvoraussetzung für solch ein Team. Nach meinem Verständnis funktioniert Lernen im Team ohne psychologische Sicherheit nicht:


  1. Wie häufig muss das Team sich auf Neues und Unvorhergesehenes einstellen?

  2. Wie geht das Team mit Mitgliedern um, die Nichtwissen durch Fragen transparent machen?

  3. Wie geht das Team mit Mitgliedern um, die Fehler machen, weil sie etwas Neues ausprobieren, die einfach mal machen?

  4. Wie geht das Team mit Fehlern um, die im Alltag und bei Entscheidungen passieren? Werden sie frühzeitig angesprochen oder wird lieber geschwiegen, um die Harmonie nicht zu stören, um nicht als Nestbeschmutzer zu gelten?

  5. Werden die Fehler der Anderen überhaupt als Teil des eigenen Verantwortungsbereichs begriffen?


Die Antworten auf die im Text formulierten Fragen entscheiden in einer Auftragsklärung darüber, ob der Aspekt der psychologischen Sicherheit relevant ist, oder nicht. Anhand dieser Fragen erkenne ich auch, ob es sich überhaupt um ein Team handelt und Team-Coaching der passende Ansatz ist, oder nicht.


Auch Ihr könnt die Fragen nutzen, um für Euch und Euer Team zu klären, ob ihr Euch mit dem Thema der psychologischen Sicherheit einmal genauer auseinandersetzen wollt.



Anmerkung zum Schluss

Nun noch eine kleine Anmerkung. Die Aussage, dass Gruppen keine psychologische Sicherheit brauchen, ist sicher etwas zugespitzt. Grundsätzlich ist es immer sinnvoll und wünschenswert, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, wenn Menschen miteinander in Unternehmen zu tun haben. Aber wenn es schon eine Entscheidung braucht, dann am besten auf der Basis der Unterscheidung zwischen Gruppe und Team.



*Zur Vertiefung des Themas empfehle ich

- Amy C. Edmondson: The fearless organization (John Wiley & Sons, New Jersey, 2019)

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