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Was wir von Corona über Change lernen können


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Um dies vorweg zu nehmen: Dieser Artikel soll nicht die aktuelle Situation oder den Umgang der Politik mit der Corona-Pandemie bewerten und beurteilen. Es geht vielmehr darum, Beobachtungen zu diesem gewaltigen gesellschaftlichen „Change“ zu teilen und auf den Unternehmenskontext zu übertragen.

In den vergangenen Wochen hat wohl jede und jeder einen gravierenden Change durchgemacht. Unternehmen waren gezwungen, von heute auf morgen Zusammenarbeit neu zu organisieren, teilweise ihre Produkt- und Dienstleistungspalette umzustellen. Als Privatperson fiel ein großes Stück Normalität und Alltag weg und es galt, das eigene Leben neu, anders zu organisieren. Was wir beobachten konnten: Viele Mechanismen, die wir aus Change-Projekten kennen, wurden auch hier deutlich.

1. Change braucht klare Entscheidungen: Es gibt kein „drum herum“.

Erinnern wir uns noch an die Phase Ende Februar? Das Thema Corona wurde langsam präsenter, es wurde hingewiesen und gewarnt. Dennoch war in der Bevölkerung nur wenig Verhaltensänderung beobachtbar, die Cafés waren weiterhin gut besucht, die Geschäfte voll und viele haben ihre Reisen scheinbar unbeeindruckt angetreten.Eine wirkliche Verhaltensänderung beim Großteil der Bevölkerung gab es erst, als deutlich wurde: Es gibt kein „drum herum“. Es gibt keine (oder nur wenige) Sonderwege und Ausnahmen, durch die man doch noch „das Alte“ weiterführen kann. Zu ist zu. Dies gilt auch für Change-Projekte in Unternehmen: Werden keine klaren Entscheidungen getroffen, gibt es eine Möglichkeit, das Alte weiterzuführen (z.B. mit einer alten IT doch noch weiter zu arbeiten), dann werden Menschen das tun. Erst wenn kein Weg mehr daran vorbei führt, sind die meisten bereit, sich mit der neuen Situation auseinander zusetzen.

2. Entscheidungen müssen nachvollziehbar sein – und auch so kommuniziert werden.

Bereits unter Punkt 1 wurde die Bedeutung klarer Entscheidungen deutlich. Nur Entscheidungen zu treffen, genügt jedoch nicht. Vielmehr muss in der Kommunikation auch deutlich werden: Was führte zu dieser Entscheidung? Warum wurde sie getroffen? Warum ist es notwendig, agiler zu werden? Warum gibt es plötzlich feste Strukturen, wo früher vieles informell möglich war? Fehlt diese Nachvollziehbarkeit, werden Maßnahmen im Zusammenhang damit auch nicht akzeptiert werden.

3. Veränderung braucht Empathie und Konsequenz.

Veränderungen lösen Angst und Widerstand aus. Unser Gehirn mag Routinen, weil sie einfach und energiesparend sind. Veränderungen hingegen sind unbequem, benötigen Aufmerksamkeit und erzeugen Unsicherheit. All das trägt nicht gerade dazu bei, dass Menschen Veränderungen gerne akzeptieren und mittragen. Ob berechtigt (denken wir z.B. an die Existenzängste vieler Selbständigen und Unternehmer) oder unberechtigt (nein, es wird niemals zu wenig Toilettenpapier geben): Diese Emotionen sind da. Es hilft also nicht, sie zu negieren, oder klein zu reden („so schlimm wird das alles nicht“). Was es braucht, sind Empathie und Verständnis bei gleichzeitiger Konsequenz.

Wollen Unternehmen etwas verändern bedeutet dies: Verständnis zeigen, Resonanz abholen, Zeit zum Verarbeiten geben, Unterstützung organisieren. Und trotzdem in der Sache und der Entscheidung klar sein.

4. Mit einer Stimme sprechen: Change ist, wenn jeder mitzieht

Wann hat Deutschland mitgezogen? In den ersten Wochen, als es eine fast schon gespenstische Einigkeit zwischen Regierung und Opposition, zwischen Wissenschaft und Politik, zwischen Bund und Ländern gab. Je länger die Situation dauerte, umso mehr Uneinigkeit gab es, positionierten sich Länder und Ministerpräsidenten unterschiedlich, gab es auch aus der Wissenschaft unterschiedliche Stimmen. Parallel änderte sich auch das Verhalten der Bevölkerung, wurden Menschen wieder entspannter, nahmen Auflagen nicht ganz so ernst. Vielleicht geht uns langsam die Puste aus. Und keine Frage: Es braucht Diskurs und konstruktiven Streit, es braucht die Auseinandersetzung um den richtigen Weg. Für Unternehmen im Change können wir jedoch ableiten: Wenn man will, dass alle mitziehen, dann braucht es Einigkeit in der Geschäftsführung, dann braucht es Führungskräfte, die Entscheidungen mittragen und unterstützen. John Kotter nennt das übrigens, eine Führungsallianz zu schmieden.

5. Die erste Frage lautet: Was bedeutet das für mich?

Betrachtet man die unzähligen Sondersendungen zum Thema Corona, taucht eine Frage immer wieder auf: „Was bedeutet das für... (Lehrer, Alleinerziehende, Ärzte, Unternehmen, Kinder,...)?“. Manchmal können wir es nicht mehr hören und dennoch ist das die erste Frage, die Menschen beschäftigt: Was bedeutet das für mich? Was verändert sich für mich? Unternehmen tun gut daran, auf diese Fragen eine Antwort zu haben. Oder sie gemeinsam mit den Beschäftigten zu finden. Die Präsentation eines neuen Organigramms beantwortet sie übrigens nicht.

6. Plötzlich wird „das Alte“ wieder wichtig und wertvoll

Veränderung bedeutet immer einen Shift von „alt“ zu „neu“. Vom alten Alltag zum Neuen, von Präsenz-Meetings zu Videokonferenzen, vom bisherigen zum neuen Betriebssystem, von festen Strukturen zu flexiblen Projektteams. Was immer wieder zu beobachten ist: In dem Moment wo das Alte weg ist, wird es wieder wichtig. Das vielbeschimpfte IT-System war auf einmal doch nicht so schlecht, der vollgestopfte Alltag mit Freizeitstress wird im Angesicht von vielen Abenden daheim wieder erstrebenswert, die langsamen Kommunikations-Silos waren immerhin klar und berechenbar. Im Unternehmenskontext wird dieses Phänomen oftmals noch verschärft durch eine erlebte Abwertung des Bisherigen. War denn vorher alles schlecht? Haben wir denn bisher alles falsch gemacht? Kluges Change Management schafft den Spannungsbogen zwischen alt und neu und stellt immer auch die Frage: Wovon müssen wir uns verabschieden? Aber was wollen wir uns auch bewahren?

7. Menschen verändern sich nur sehr ungern, weil ein anderer das will. Vom Gefühl der Dringlichkeit zum positiven Ziel

Bereits beim renommierten Change-Experten John Kotter lautet Schritt 1: Stellen Sie ein Gefühl der Dinglichkeit her. Machen Sie deutlich, warum die Veränderung notwendig ist. Während der Corona-Pandemie, insbesondere innerhalb der ersten Wochen, wurden wir geflutet von Bildern der Dringlichkeit: Bilder von überfüllten Krankenhäusern aus Italien und Ausführungen über das Wesen von exponentiellem Wachstum machten deutlich, was passieren kann, wenn wir unser Verhalten nicht ändern. Was eher wenig betont wurde: Was ist das positive Ziel? Was haben wir zu gewinnen? Dieser Aspekt ist insbesondere dann wichtig, wenn es darum geht, das Neue auf Dauer zu verankern. Denn auch das wurde in den letzten Tagen deutlich: Wenn das Gefühl der Dringlichkeit abnimmt, nimmt auch die Akzeptanz der Veränderung ab. Und kein Katastrophenszenario wirkt langfristig motivierend. Soll eine Veränderung jedoch dauerhaft wirken, dann braucht es ein positives Ziel, das motivierend und anziehend wirkt.

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